19. Till Berlin

Berlin? Ja Berlin. Mein Chor macht eine Tournee nach Berlin und ich bin eine der frischen Sängerinnen, die auch mit darf. Also starten wir um 8 Uhr in der Früh zu 39gt im Bus Richtung Deutschland. Schwedische Chorkultur ist ja sehr tiefgreifend, deswegen haben wir sogar zwei selbst geschriebene Gesangsbücher mit großteils Trinkliedern. Und natürlich auch ein alter 80ziger Hit (Calcutta), der für die Tournee um gedichtet wurde auf Till Berlin (Nach Berlin) Das heisst die meiste Zeit im Bus wird gesungen. Damit es schneller geht nehmen wir die Fähre von Gedser nach Rostock und ehe wir uns versehen sind wir schon um 10 am Abend in Berlin.

Ein bisschen komisch ist es schon – ich bin zum ersten Mal seit langem in einer deutschen Stadt aber ich höre nur Schwedisch und spreche Englisch (und ein bisschen schwedisch wenn wir über die Deutschen reden). Wir wohnen direkt am Alexanderplatz und trotz langer Busfahrt spazieren wir für ein paar Drinks noch durch die Gegend.

Den ersten richtigen Tag in Berlin starten wir gleich mit einer Probe – wir haben ja schließlich drei Konzerte hier. Aber nach der Probe haben wir einen komplett freien Nachmittag und ich treffe mich mit Léna, die ja grad in Berlin als Austauschstudentin lebt. Ich bekomme den besten Döner in Berlin (war schon ziemlich gut) und dann fahren wir noch zum alten Flughafen Tempelhof, wo wir herumspazieren.

Am Abend treffen wir dann aber unseren befreundeten Chor aus Berlin, den Schillerchor. Wir singen zwar keine Konzerte gemeinsam, aber zumindest gemeinsam singen wollen wir einmal gemeinsam. Ganz berlinerisch lassen wir den Abend (oder eher die Nacht) mit Getränken vom Späti ausklingen.

Am nächsten Tag beschließen wir einen Streetartspaziergang durch Kreuzberg zu machen und kommen auch beim Checkpoint Charlie vorbei.

Nach einem Mittagsessen beim Dönermann wo ich Dolmetscher für meinen Chor spiele, starten wir aber Richtung Schloss Charlottenburg. Schon nettes Palästchen mit netten Gärten.

Ein paar Tage vor der Tour bin ich tatsächlich drauf gekommen, dass ich nicht die einzige Tänzerin im Tourneechor bin und wir haben gemeinsam beschlossen uns eine Tanzparty rauszusuchen. Die Lindy Hop Tänzer sind in der Überzahl und wir enden auf einer sehr netten und lauschigen Feier mit Live Musik.

Den Mittwoch starte ich mit einem ausgedehnten Spaziergang durch das Regierungsviertel bis zum Brandenburgertor, dass leider schon als großes Public Viewing für die Fußball EM abgesperrt ist. Aber nach dem Mittagsessen geht es schon in die schwedische Kirche, wo wir einen Gottesdienst musikalisch gestalten. In der Kirche wird nur schwedisch gesprochen, fast hätte ich es schon vermisst.

Nach dem Gottesdienst hat der ganze Chor einen Raum in einem georgischen Restaurant reserviert. Dort bekommen wir ein Sharingmeal und unser Kellner sagt noch dass es ein Festmahl ist. Und das war es. Georgisch kann ich aber wahrscheinlich nur in Berlin essen – normalerweise gibt es nicht sehr viele vegetarische Alternative. Aber in Berlin, der Hauptstadt der Veganer, gibt es das natürlich leicht. Ganz nach Chortradition wird natürlich viel getrunken und gesungen und am Ende kriegt unser Kellner auch noch ein Liebeslied von allen dargebracht.

Der nächste Tag startet vielleicht etwas später aber wir sind dann schon bald am Weg zur East Side Gallery – ein Teil der Hintermauer auf der sehr viele Kunstwerke aufgemalt sind.

Nach dem Mittagessen suchen wir uns taktisch einen Park und nappen noch ein bisschen – heute steht unser großes Konzert an. Wir singen in der Matthäus Kirche samt Kunstausstellung die von der Decke hängt. Als eine der drei deutschsprachigen Chormitglieder bereite ich noch meine Rede vor und dann geht es auch schon los. Auf jeden Fall ein sehr gelungenes Konzert.

Den Abend lassen wir noch gemütlich bei einem Italiener und einem Spaziergang nach Hause ausklingen. In unserem Hostel ist auch gerade Karaokenacht. Da momentan nur Teenager auf Berlinwoche da sind, singt natürlich niemand. Wir sind vier Mädels aus dem Ladieschoir und perfekt in den Stimmen aufgeteilt, deswegen schnappen wir uns die Mikrofone und performen Dreamgirls aus unserem Konzertrepertoire vierstimmig. Wir hätten die Teenager gern noch weiter unterhalten aber dann haben uns doch unsere sehr wenigen Stunden Schlaf vom letzten Abend eingeholt und wir beschließen uns zurück zu ziehen.

Der nächste Tag ist unser letzter voller Tag, aber auch ein sehr besonderer. Wir singen nämlich vier Stücke im Berliner Dom. Jetzt hab ich schon in so vielen Kirchen gesungen, aber das war schon sehr besonders. Wir bleiben noch für die Mittagsandacht. Kurz sehe ich noch meine Eltern, die ja gestern in Berlin angekommen sind, dann habe ich aber schon eine Führung durch ein altes Stasigefängnis.

Die Führung war wirklich interessant, viel mehr als man in der Schule lernt und gut aufbereitet. Schon schlimm was vor nicht einmal so langer Zeit passiert ist und wenn man durch die Zellen geht, ist es schon nochmal näher.

Am Abend haben wir unser Finalsittning und alle werfen sich dafür in die feine Schale. Wie jedes Sittning natürlich mit viel Gesang, aber auch Gyckels, die kleinen Acts von kleinen Gruppen. Ich nehm natürlich am Frauengyckel teil, wo wir uns ein bisschen über den Bass 1 lustig machen (ca 80% der Männer war original Bass 1 hat sich aber für die Tournee in der eine andere Stimme gequetscht, weil sie sonst nicht mit fahren hätten dürfen, weil wir zu viele hatten). Dieses Mal hab ich aber auch ein eigenes Gyckel organisiert, nämlich das der Deutschen und Österreicher (plus einen fließend deutsch sprechenden Schweden, weil wir einen Tenor für das Quartett brauchten).

Aber auch das Sittning neigt sich zu Ende und wir suchen uns noch eine Bar für den Abschluss. Gar nicht so leicht wenn Deutschland wenn gerade für die EM spielt. Aber irgendwo finden wir ja dann doch noch ein Plätzchen.

Der nächste Tag steht dann schon im Sinne von Checkout und Abschied, weil ich viele Leute lange nicht mehr sehen werde. Ich bringe meine Sachen zu Léna und dann treffe ich mich aber schon mit meinen Eltern um mit ihnen Berlin unsicher zu machen.

Wegen Regen schauen wir in das Spionagemuseum das sehr gut aufgebaut und recherchiert ist. Natürlich gibt’s auch ein paar interaktive Spielchen, wobei ich fast alles schaffe bis auf das Laserlabyrinth. Vielleicht bin ich doch eher Q und nicht James Bond.

Der Regen ist großteils weg und wir schauen noch zum Checkpoint Charlie bevor wir einen Termin für die Reichstagskuppel haben.

Dort oben hat man eine wunderbare Aussicht und auch die Geschichte des Reichtags is sehr nett aufgearbeitet.

Danach treffen wir uns noch mit Léna für ein Abendessen am Humboldt Forum, was ein wunderschöner Abschluss für meine Woche in Berlin war.