16 – Cortège!

Chalmers ist einzigartig in Schweden für ihre Cortége. Das ist eine riesige Parade durch ganz Göteborg – mit Paradewagen gebaut von den Studenten von Chalmers. Besonders daran ist, dass wir nur 10 Tage Zeit haben um alles zu bauen. Wir? Ja, ich bin auch dabei. Natürlich muss ich meinen Austausch auskosten. Es war zwar durchaus schwierig in ein Team zu kommen. Elsa hat mich zwar in ihrem Team adoptiert, aber die Schweden haben nicht nur Personalnummern um Ausländern das Leben schwer zu machen, sondern auch Sektionen auf der Uni, denen wir natürlich nicht angehören. Sektionen sind die Studienbereiche, aber obwohl ich Informatik studiere, gehöre ich hier der Pseudosektion Exchange an. Ich weiß nicht genau wie, aber nach ein paar Telefonaten mit den Organisatoren sind ich und ein paar Freunde auch tatsächlich die ersten Erasmusstudenten, die bei der Cortege mitbauen. Das liegt jetzt aber tatsächlich schon ein paar Wochen zurück und die Planung ist schon abgeschlossen und das ist die Woche, wo der Byggplats (Bauplatz) eröffnet wird.

Zur Eröffnung trifft sich mein Team und wir spazieren gemeinsam zum Byggplats. Der Byggplats ist unter dem Jahr ein normaler riesiger Parkplatz, für zehn Tage wird er abgesperrt und zu unserer Baustelle, wo man nur mit Bändchen reinkommt. Dort treffe ich tatsächlich auch ein paar Leute aus dem Chor, also nach ein paar Monaten nach Chalmers, wird zumindest der Johanneberg Campus ein kleines Dorf. Ein Kran fährt ein Sofa weit in die Höhe, ein Typ drauf haltet eine Rede auf schwedisch. Genau weiß ich nicht worum es geht, aber das ganze ist schon ein bisschen eine Einleitung wie streng sie mit den Sicherheitsmaßnahmen hier sind. Dann gibt es ein Feuerwerk am hellichten Tag. Ich wundere mich, dass man da ja eigentlich nichts sehen sollte, aber sie lösen das Problem ganz einfach: Sie lassen einfach eine riesige Explosion mit riesiger Feuerwolke los. Damit ist das Bauen eröffnet.

Wichtig ist auch, wir haben alle weiße Mäntel mit dem Logo von der Cortege bekommen, die natürlich jeder am Byggplats trägt. Wir dürfen zeichnen was wir wollen, nur nicht über das Logo am Rücken. Sollte das passieren, nehmen sie tatsächlich einem den Mantel wieder weg und beseitigen ihn. Wie genau? Es gibt eine wunderschöne Marshmallowgrillstation hier – ein alter Heißluftballon nur ohne Ballon. Die Jacke wird dann um einen Metallstecken gewickelt und in den Brenner gehalten, der die Flammen sicher ein zwei Meter hochjagt. Und ja, normalerweise werden Marshmallows dort gegrillt, es wird nur ca einmal pro Tag eine Jacke verbrennt.

Die meisten Leute zeichnen auf ihre Jacken ihre Sektionsheiligen. Die Heiligen sind auch herrlich – es sind Comic- und Popculturefiguren. Ich hab noch nicht ganz herausgefunden was meine Sektion ist – also entweder habe ich einen Schlumpf oder einen Specht aus den Looney Tunes. Ein bisschen neidisch bin ich schon auf die Chemiker mit Darth Vader und Yoda oder die Elektrotechniker mit Donald Duck.

Was auch besonders am Byggplats ist, ist das die Musik und das unlimitierte gratis Bier. Es wird nämlich für die zehn Tage die ganze Zeit das gleiche schwedische Lied gespielt wird. (Also ich habs schon nach den ersten zwei Stunden auswendig singen können). Wir kriegen Bierkrüge und es gibt einen Zapfhahn, der die ganze Zeit frei zugänglich ist. Es ist zwar “nur” Mellanöl, also 3,5% Alkoholgehalt aber trotzdem spannend, wenn man bedenkt was alles am Byggplats abgeht.

Unsere Nachbarn zum Beispiel motorisieren glaube ich eine Badewanne. Schweißen tut auch jeder und alte Fahrräder werden zerlegt um Wagen zu ziehen. Manche Gruppen haben Glück und haben ein Auto bekommen – die sie teilweiße natürlich auch fast komplett zerlegen. Es wird gesägt und gebastelt.

Wir haben drei Themen gepitcht – ein Barbiedreamhouse (mit Whirlpool), eine Whirlpool in einem Boot das von Fahrrädern gezogen wird und ein trojanisches Pferd. Das Barbiedreamhouse haben wir leider nicht gekriegt, aber dafür das Boot. Original war es eigentlich ein Flugzeug, dass von Fahrrädern gezogen wird um über die Doppelmoral von reichen Firmen und Leuten zu reden, die anderen Leuten sagen, sie sollen mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren für das Klima und dann selber mit dem Privatjet herumfliegen. Allerdings hätte das Flugzeug nicht in die Straßen von Göteborg gepasst und wir wollten eigentlich in einem Whirlpool während der Parade sitzen. (Zumindest die Leute, die net radeln müssen)

Was auch besonders in der Bauwoche ist, ist das Bierzelt. Jeden Tag in der Woche gibt es Konzerte und Party bis in die Nacht. Und wenn das Zelt zusperrt ist natürlich der unieigene Club bis in die Früh offen. Die Schlange für das Bierzelt ist lange – wenn man nicht eine halbe Stunde vor Öffnung da ist, kann man eine Stunde mindestens warten. Und die Studenten tun sich das auch an. Aber es gibt auch jeden Tag am Byggplats Bewerbe um einen Expresspass zu gewinnen. Das geht von kleinen Impromptu Shows bis zu ein Auto auf den Kopf stellen und wieder zurück. Naja wir haben leider nicht den Rekord von ca 4 Sekunden geknackt aber wir haben unser bestes gegeben.

Was auch in der Bauwoche passiert, sind die Chalmersmeisterschaften. Klingt jetzt ganz edel, aber es ist ein Bewerb wer das beste Sittning, also ein traditioneller schwedischer Dinner mit Gesang und Shows, veranstalten kann. Es gibt Themen und das Budget vom ganzen Jahr geht dafür fast drauf für die Sektionen. Es sind generell die besten Sittnings die es gibt, aber genauso begehrt sind sie auch. Es gibt zwar jeden Tag ein Sittning aber die Schlangen sind unmöglich lange und ich schaffe es leider in kein einziges.

Wir kriegen auch Programmhefte, die wir verkaufen müssen – naja müssen nicht, aber so können wir auch Geld verdienen. Schweden hat aber ein wunderbares schnelles Bezahlsystem – Swish. Man braucht nur die Telefonnummer ode QR Code und kann eine Sofortüberweisung machen. Klingt in Theorie ganz cool, aber natürlich braucht man dafür eine schwedische Personalnummer. Und weil wir natürlich keine haben, können wir Swish auch nicht verwenden. Aber ich tue mich mit Elsa zusammen und gemeinsam machen wir am Tag der Parade die Stadt unsicher – da verkauft man nämlich am meisten. Ich habe meine fünf Sätze, mit denen ich die Programmhefte verkaufe und tatsächlich reichen sie ab und zu aus. Meistens beginnen die Leute dann aber doch zum Tratschen. Generell sind die Schweden ja ein bisschen bekannt eher introvertiert zu sein, aber sobald man ein gemeinsames Interesse oder andere Gemeinsamkeiten haben, tratschen sie schon gerne.

Ich könnte noch so viel über die Valborgstraditionen (Walpurgis), es geht von Hüte wechseln über Lagerfeuer bis zu Maiblumenanstecker, aber irgendwann muss ich ja dann doch vom restlichen Valborg erzählen. Eins ist klar, die Schweden freuen sich über den Frühlingsstart.

Um 18 Uhr beginnt die Parade, ich habe fast alle meine Hefte verkauft und wir sind schon in der Reihenfolge. Ich bin eine Kellnerin die mit einem Schild neben dem Boot herlauft. Nach 6 Stunden durch die Stadt gehen und Hefte verkaufen, freuen sich meine Füße sehr auf zwei weitere Stunden. Aber es läuft eigentlich ganz gut. Jeder Fleck neben der Strecke ist bummvoll überall warten Menschen. (Der Fotodump von der ganzen Parade kommt dann am Ende;)).

Zwei Stunden vor Start

Generell stellt jeder Wagen ein Ereignis des Jahres dar – es geht von Trump vs Biden über Barbenheimer bis zu vielen schwedischen Sachen, die wir nicht immer verstanden haben. Wir sind allerdings eine lose Nummer, also unser Wagen ist nicht auf einem LKW und wir müssen uns nicht unbedingt daran halten.

Nach zwei Stunden sind wir allerdings wieder zurück und wir müssen unseren Wagen zerstören. Naja der war echt nicht der Stabilste – unsere Fahrradverbindung haben wir während der Cortège sicher fünfmal repariert und die Papierverkleidung hat am Ende dann auch nicht mehr gehalten. Nachdem wir dann alle den Byggplats aufgeräumt, geht aber auch schon eine der größten Feiern von Chalmers los. Das ganze Studentenunionsgebäude ist abgesperrt, es gibt zehn Bars, fünf Tanzflächen und ganz wichtig : drei Hüpfburgen.

Glücklicherweise gibts eine eigene Studentenvereinigung die Fotos von allen Chalmers Events macht.

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